Der Gesetzgeber umschreibt die Steuervermeidung internationaler Konzerne mit “Steuerdiskrepanzen” und “hybrider Gestaltung – das ist vielleicht politisch korrekt, aber politisch unklug.
Neue Möglichkeiten zur Neutralisierung internationaler hybrider Gestaltungen für die österreichische Finanz
Das Ziel der neuen Bestimmungen (§ 14 Körperschaftsteuergesetz) ist die Neutralisierung bestimmter internationaler Steuersparmodelle, die dadurch entstehen, dass
- Aufwendungen steuerlich doppelt abgezogen werden können, ohne dass eine doppelte Erfassung der zugehörigen Erträge erfolgt (DD-double deduction) oder
- Aufwendungen steuerlich abgezogen, aber die dazu gehörigen Erträge nicht versteuert werden müssen (D/NI-deduction/no inclusion).
Die Neutralisierung der Steuerdiskrepanz erfolgt dadurch, dass
- die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen verweigert wird oder
- die nach bisherigem Recht nicht zu erfassenden bzw. bisher steuerfreien Erträge dennoch im Inland besteuert werden.
Welche internationalen Unternehmenskonstruktionen betrifft das?
Die Szenarien sind nun geregelt, in denen Steuerspareffekte (politisch korrekt spricht man von „Steuerdiskrepanzen“, man will ja international aktiven Konzernen keine böse Absicht unterstellen) auftreten können:
- Hybride Gestaltungen zwischen verbundenen Unternehmen:
- hybride Finanzierungsinstrumente
- hybride Unternehmen
- hybride Übertragungen von Finanzinstrumenten
- hybride Betriebsstätten bzw nicht berücksichtigte Betriebsstätten
- Strukturierte, modellhafte Steuergestaltungen auch zwischen nicht verbundenen Unternehmen.
Hybride Finanzierungsstrukturen?
Eines der Hauptaugenmerke liegt auf hybriden Finanzierungsstrukturen, die zu folgenden Besteuerungsinkongruenzen führen können:
B Co gibt ein hybrides Finanzinstrument (zB hybride Anleihe) an A Co aus. Die Anleihe wird so ausgestaltet, dass sie gemäß den Rechtsvorschriften von Land B als Fremdkapital qualifiziert wird. Land B lässt für die im Rahmen der Anleihe geleisteten Zinszahlungen einen Betriebsausgabenabzug zu. Nach den Rechtsvorschriften von Land A ist die Zahlung jedoch als Vergütung auf Eigenkapital zu qualifizieren und unterliegt in Land A keiner Besteuerung.
Auch folgende strukturierte Finanzierungsformen können betroffen sein, soweit die Zahlungen, die sich daraus ergeben, von den jeweils betroffenen Ländern unterschiedlich behandelt werden:
- Gewinnabhängige Forderungen
- Zinslose Forderungen
- (Nachträgliche) Kaufpreisanpassungen im Zusammenhang mit Share Deals
- Mittels Rückkaufvereinbarungen strukturierte Darlehensvereinbarungen
- Wertpapierleihen (Share Lending und Bond Lending Strukturen)
Hybride Unternehmen?
Ebenfalls von den neuen Anti-Missbrauchsregeln umfasst sind alle Strukturen, die mittels hybrider Gesellschaftsformen aufgesetzt werden und die zu ungerechtfertigten steuerlichen Vorteilen führen. Beispiele dafür:
- Gesellschaften, die in ihrem Ansässigkeitsstaat als Körperschaft besteuert werden, während der Ansässigkeitsstaat des Investors die Gesellschaft wie eine Personengesellschaft – also nicht direkt, sondern nur auf Ebene des Investors – besteuert („hybrid entity“)
- Gesellschaften, die in ihrem Ansässigkeitsstaat wie eine Personengesellschaft nicht direkt, sondern auf Ebene der Gesellschafter besteuert werden, während der Ansässigkeitsstaat des Investors die Gesellschaft wie eine Körperschaft besteuert („reverse hybrid entity“)
- Doppelt ansässige Gesellschaften
Hybride oder nicht berücksichtigte Betriebsstätten?
Auch Betriebsstättenstrukturen können von den neuen Restriktionen umfasst sein: und zwar dann, wenn die Einschaltung von Betriebsstätten – insbesondere in Kombination mit strukturierten Finanzierungsformen – eine doppelte Berücksichtigung von Aufwendungen oder die Nichtbesteuerung von Einkommen ermöglicht.
Ein Beispiel dafür: Der Ansässigkeitsstaat des Stammhauses unterstellt im Ausland eine Betriebsstätte und nimmt den auf diese Betriebsstätte entfallenden Gewinn aufgrund seiner innerstaatlichen Vorschriften von der Besteuerung aus. Aus Sicht des Tätigkeitsstaates liegt aber hingegen gar keine Betriebsstätte vor und eine Besteuerung fällt auch hier aus.
Eine effektive Nichtbesteuerung kann auch bei reinen Geschäftsfällen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte vorliegen: wenn der Betriebsstättenstaat eine abzugsfähige Zahlung an das Stammhaus vorsieht, während im Staat des Stammhauses kein steuerpflichtiger Ertrag vorliegt
Was zu tun ist:
mit dem Steuerberater die bestehende Konstruktion evaluieren bevor jeder Betriebsprüfer ab 2023 sich damit auskennt, was ab 2020 gilt
sich freuen, dass es globale Unternehmen schwerer haben werden, sich Wettbewerbsvorteile gegenüber heimischen Klein- und Mittelbetrieben durch Steuerkonstruktionen zu verschaffen
sich inspirieren lassen, was künftig noch als legale Steueroptimierung gilt
Die politischen Akteure auf nationaler und EU-Ebene verwenden bei der Bekämpfung der Nichtbesteuerung von internationalen Konzernen eine Terminologie, die verhindert, dass die Steuerzahler verstehen was bisher gegangen ist und sich nicht wundern, was noch immer geht. Somit gibt es keine Journalisten, die darüber schreiben, weil auch sie es nicht verstehen. Aber es wird im Hintergrund zumindest etwas für die Chancengleichheit getan.
Und für alle, die es genau wissen wollen, hier die detaillierte Neuregelung
984/A XXVI. GP – Initiativantrag im Nationalrat beschlossen am 19. September 2019:
Die Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12.Juli 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes (Anti Tax Avoidance Directive, ATAD), bezüglich hybrider Gestaltungen mit Drittländern geändert durch die Richtlinie (EU) 2017/952 des Rates vom 29.Mai 2017 (ATADII), sieht umfassende Regelungen zur Neutralisierung von hybriden Gestaltungen vor. Mit der geänderten Richtlinie wurde ein Rahmen geschaffen, der dem OECD Bericht über die „Neutralisierung der Effekte hybrider Gestaltungen, Aktionspunkt 2 – Abschlussbericht 2015“ entsprechen soll und zusätzlich auch hybride Gestaltungen bei Betriebsstätten behandelt (vgl. Erwägungsgründe Nr. 5 ff der ATAD II). Die Vorschriften zu hybriden Gestaltungen in der ATAD sollen sowohl im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten als auch im Verhältnis zu Drittstaaten anwendbar sein (vgl. Erwägungsgrund Nr. 8 der ATAD II).
Die ATAD sieht Regelungen für hybride Gestaltungen vor, die zu einem doppelten Abzug von Aufwendungen (Art. 9 Abs. 1 lit. a ATAD) oder zu einem Abzug von Aufwendungen ohne korrespondierende Erfassung der Erträge als Einnahmen führen (Art. 9 Abs. 1 lit. b ATAD). Darüber hinaus enthält die Richtlinie insbesondere Regelungen für sog. importierte hybride Gestaltungen aus Drittstaaten (Art. 9 Abs. 3 ATAD)und für hybride Gestaltungen bei doppelt ansässigen Körperschaften (Art. 9b ATAD).
Das Körperschaftsteuerrecht enthält schon derzeit Bestimmungen, die bestimmte Gestaltungen bei hybriden Finanzinstrumenten durch ein Abzugsverbot der Aufwendungen (§ 12 Abs. 1 Z 10) oder eine steuerpflichtige Erfassung von Beteiligungserträgen (§ 10 Abs. 4) neutralisieren. Diese Vorschriften sollen auch weiterhin zur Anwendung kommen.
Überdies können schon nach allgemeinem österreichischen Steuerrecht bestimmte nach der ATAD zu neutralisierende hybride Gestaltungen gar nicht eintreten, weshalb insoweit kein Regelungsbedarf besteht; dies betrifft fiktive Zahlungen zwischen dem Stammhaus und einer Betriebsstätte eines Unternehmens (Art. 2 Nr. 9 lit. f ATAD).
Dennoch ist es notwendig, in Umsetzung der ATAD weitere Vorschriften für die von der Richtlinie erfassten hybriden Gestaltungen zu erlassen. Hiefür soll in § 14 eine eigene Sondervorschrift für hybride Gestaltungen geschaffen werden. Entsprechend den Vorgaben der ATAD soll diese Sondervorschrift mit 1. Jänner 2020 in Kraft treten. Die Umsetzung der Regelungen für sogenannte umgekehrte hybride Gestaltungen (Art. 9a ATAD) soll erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, weil diese nach der ATAD erst ab 1. Jänner 2022 anzuwenden sind.
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